/ / / WIE VON SELBST
Ausstellungsansicht: MOVING SURFACE, Künstlerforum Bonn, 2012
Wenn man beim Denken gewohnte Vorstellungen und gesichertes Terrain verlasse, gehe es zu “bösen Häusern“. Das steht bei Hegel.
Böse Häuser haben Geschichte, kühle Böden, Platz für Gespenster wie für grosse Tafelrunden. Sie leisten passiven Widerstand gegen
allzu ambitionierte Projekte und mischen sich mitsamt ihrer Umgebung in deine Arbeit ein.
When, in the course of thinking, you stray from common conceptions and steady ground, then, Hegel says, you “go to wicked houses.”
“Wicked houses” have history, cool floors, room for ghosts and large assemblies of guests. They passively resist overly ambitious projects.
Bringing their surroundings with them, they intrude in your work.
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WIE VON SELBST
HD-Video, 33 min. | 2009
REGIE | FOTOGRAFIE | MONTAGE | PRODUKTION Monika Rechsteiner
TEXT Klaus Merz | Isabel Zürcher | Eva Kuhn
PERKUSSION Pit Gutmann
RED OPERATEUR Till Beckmann
SZENOGRAFIE Marcus Göppner
TON Janne von Busse
SPRECHER Mathias Lodd
ASSISTENZ TONAUFNAHME Robert Alonso
ASSISTENZ TEXTREGIE Erhard Münch
Von den Rändern einer Kieshalde her kommend, geht die Fahrt durch Gänge und Schächte. An Mauern, Nischen, Kantenentlang. Nahtlos, unaufhaltsam und ohne die Logik der Raumfolge preiszugeben, insistiert die Kamera darauf, den Rohbau als Bild zu fassen. Das nie vollendete Kernkraftwerk im Niemandsland ist gezeichnet von Wasser, trägt Spuren von Rost, trotzt stählern im Tageslicht der Verwitterung. Die reglose Industrieruine lässt jede Bewegung, jeden Laut zur Sensation werden: Stimmen aus der bewohnten Nachbarschaft, raschelndes Fallen unbeschriebener Blätter, Regen, rhythmisches Hämmern an einer perforierten Wand.
Die An- und Umsichten in Monika Rechsteiners Filmessay sind von Dauer. Der kontinuierliche Fortgang der Bilder leistet weit mehr als die Dokumentation gescheiterter Energiepolitik. Das Monument wird zum Resonanzraum, erweist sich als Architektur der Kontemplation: Im inneren Monolog stellt sich ein Ich der Herausforderung kreativen Schaffens. Es findet Halt zwischen zupackender Tätigkeit und behutsamem Fragen, lässt sich ein auf Fragmente der Erinnerung, setzt an zur Fiktion, entdeckt die Kunst im produktiven Verhältnis zwischen konkreter Beobachtung und inneren Widerhall.___________________ [Isabel Zürcher]
Beginning on the outskirts of a gravel dump, the journey continues through corridors and shaftways, along walls, alcoves, edges. Seamless, inexorable, without revealing the logic of the sequence of spaces, the camera insists on conceiving the building’s raw structure as an image. The never completed nuclear power station in a no-man’s land is scarred by water, bears traces of rust, defies in broad daylight the effects of weathering. The lifeless industrial ruin makes every movement, every sound into a sensation: voices from a nearby residential neighborhood, rustling of blank pages as they fall, rain, rhythmic hammering on a perforated wall.
The views and panoramas in Monika Rechsteiner’s film essay are durational. The ongoing progression of images achieves much more than the documentation of failed energy politics. The monument becomes a resonating chamber, an architecture of contemplation: in the internal monologue, an I confronts the challenge of creative work. It balances assiduous activity and cautious questioning, becomes caught up in fragments of memory, launches into fiction, discovers art in the productive relationship between concrete observation and internal echo.
Ausstellungsansicht: Gluri Suter Huus, 2012
Es ist keine subjektive Kamera, die eine Sicht der Welt im Sinne eines Abbildes liefert. Vielmehr scheint es die Kamera selbst
zu sein, die diese Räumlichkeiten erzeugt. Die Kamera ist Produzent und Protagonist zugleich. Sie bildet nicht ab, sie erfährt
den Raum im wörtlichen Sinne.
Wir sehen dabei zu, nehmen an der Genese einer Bilderproduktion teil, sowohl an jenem Bildermachen innerhalb des Films,
als auch dem Bildermachen, das in uns stattfindet und das wir aus gerade Gesehenem und Gehörtem, aus unseren Erfahrungen,
Erwartungen und Erinnerungen zusammensetzen. _________________________________________________ [Erhard Münch]
© Monika Rechsteiner